Ist das das Ende? oder hat Recht immer recht?

28.07.2023

Die Abendstunden hatten die grösste Stadt des Landes überzogen, die ihrerseits diesmal nicht mit ihrer statthaften Potenz aufwartete, sondern in einer scheinbaren Lethargie verfallen war, welche zum schwülheissen Sommermonat zu passen schien. Vereinzelt durchdrangen kleinste Regentropfen die Atmosphäre, die im blaugrauen Wolkenfilm produziert wurden und introvertiert still auf dem Asphalt aufschlugen. Die heterogene Lokalbevölkerung durchmischte sich mit einem Touristenpublikum, das mal die atipösen Körper in Leinengewändern und osmanischen Schlüpfern, leicht hinkend bewegte, oder die Shilouetten graziös vor der Kamera positionierten und dabei den vor der ultravioletten Strahlung des verdeckten Gestirns schützende Hut, zwanghaft auf dem Haupt trugen. Neben dem güldenen Ziffernblatt der Kirche in der Altstadt tanzten die Lokal- und Nationalflaggen in der Sommerbrise. In die scheinbar friedliche Szenerie rund um den Musikpavillon der Stadthausanlage, die sich hinter den Scheiben des Gebäudes befindet, wo an strategischen Gedanken über Leitzinsen angestrengt nachgedacht wird, mischte sich bedrohlich ein Polizeiauto mit dem Schriftzug bei der unbewilligten Demonstration sei der Polizei Folge zu leisten. Das eskalierende Szenario verursachte Tage vorher ein Politiker der solventen und zunehmend degenerativ agierenden radikalliberalen Lokalpartei, der aus dem Statthalteramt tief schluckend den Entscheid entlockte, eine in schieren Massen auftrender Veloschwarm am Ende des Monats als bewilligungspflichtige Demonstration zu deklarieren. Das obsiegende Bünzlitum folgt der Geschichte des Landes treu, so dass diese kleine Entiät etwas einzigartiges verlangt, das keine andere Einheit des Menschengeschlechts derart stigmatisierend behandelt. Vor Ablauf der Frist lag der Stadt kein Gesuch vor, weshalb sich die Staatsgewalt gezwungen sah, die Rechtsordnung mit einem Grossaufgebot an Kastenwagen und Humankapital gegen die hunderten, formierten und unmotorisierten Zweiräder aufzustellen. Die spürbare Anspannung in der Velogruppe wich kurzzeitig, als sich hunderte von friedlichen Velofahrenden schwarmförmig formierten und die ansässigen Gendarmen nicht auszumachen waren. Das Publikum war derweil weniger rebellisch unterwegs als gewöhnlich, obschon der Illegalität bezichtigt. Viele gut ausgebildete Expats namentlich aus dem anglikanischen und germanischen Raum schienen der helvetischen Ordnungswidrigkeiten locker gegenüber zu stehen. Durch die Illegalität der Aktion fühlten sich manche Autofahrende bestärkt und fuhren in einem Akt übersteigerten Hochmuts Velofahrende an. Es formierten sich Handgreiflichkeiten und Kraftausdrücke wurden aggressiv und aerosolartig in die Luft geschleudert wie sie nur ausgewachsenen Alphatieren entstammen können. Da es keine Regeln mehr gab, war der Anlass zunehmend chaotisch und undurchsichtig. Eine untersetzte Passantin echauffierte sich dermassen, dass sie das Spucken in die Massen als ihre Form der Selbstjustiz wählte. Autofahrende waren ebenso überfordert wie die schiere und nun eingeschüchterte Masse friedlicher Velofahrenden. Nebenan huschten ein paar Orthodoxe Juden über die Strasse. An aussenbestuhlten Restauranttischen klirrten Gläser, Besteck schlug auf und vereinzelte Lachsalven verloren sich in den Weiten der Strassen. Die Velomassen bewegten sich Minuten später sichtbar nervös, als durch fossil betriebene Motorräder der Ordnungshüter sie begleiteten. Unglücklich bog die Masse in den kurzen Tunnel ein, welche von den auftauchenden Kastenwagen der Polizei umzingelt und gefilmt wurde. In panischen Reaktionen zerstreuten sich einige Velofahrende. Andere beobachteten vorsichtig das beachtliche Sicherheitsdispositiv aus der Ferne. Die Gruppe fand sich abermals zusammen und zersplitterte sich beim immer häufiger erklingenden Einsatz der Blaulichter der Polizei. Eine Verzeigungswelle konnte derweil nicht ausgemacht werden obschon es ein Paar unglückliche Velofahrende traf, die mit gesenktem Blick ihre Ausweisdokumente hervorkramten.
Nüchtern betrachtet ist diese an der Entartung krazenden Entwicklung bedauerlich. Dass eine völlig dekarbonsierte Gruppe dermassen eingeschüchtert und stigmatisiert wird, kann möglicherweise mit fehlender thematischen Sensibilität erklärt, jedoch nicht entschuldigt werden. Die Staatsgewalt ging ihrem Auftrag nach, wenn gleich das materielle und personelle Ausmass als unverhältnismässig bezeichnet werden muss. Abgesehen von einigen Scharmützeln von gekränkten Autofahrern und das Aushalten einiger Hasstiraden blieb der Anlass weitgehend friedlich. Ob es der Obrigkeit gelingen wird, die Bewegung zu zerschlagen, bleibt abzuwarten. Das Kernproblem wird damit nicht gelöst.

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