Onsen

28.10.2019

Was den Finnen die Sauna, den Russen die Banja, den Türken das Hamam ist, ist des Japaners das Onsen. Durch die geografische Lage, zwischen tektonischen Platten, werden die Bäder begünstigt. Das heisse Wasser speist die Becken meistens direkt vom Erdinneren. Eine heilende Wirkung wird dem Wasser ebenso nachgesagt, wie an manchen Orten dieser Erde.

In zurückhaltender Keuschheit wickle ich das Badetuch um die Lenden, die Badehose liegt griffbereit. Zum Glück erspähe ich eine kurze Einführung neben der Schiebetür, um nicht ganz unwissend im Wasser zu planschen. Die Trennung der Geschlechter deute ich als Hinweis auf die Nacktheit der Prozedur (wobei er nicht eindeutig ist, so habe ich im aufgeschlossenen Osaka U-Bahnwaggons gesichtet, in welchen sich nur weibliche Personen aufhalten dürfen).

Einmal mehr bin ich froh, gesellten sich nicht ein paar eingravierte Sternchen auf der Pobacke zu meinen jugendlichen Sünden, denn Personen mit Tattoos auf dem Körper, ist der Zutritt zu den Quellen untersagt. Im Umkleideraum stehen Schliessfächer bereit, die für 100 Yen Wertsachen schützen. Wer sich mit den zur Verfügung gestellten, wohlriechenden Pflegeprodukten nicht zufrieden geben möchte, bedient sich einem, meist grauen, Plastikkörbchen, um darin die eigenen Prestigeprodukte - Villeroy-Boch-Tücher inklusive - zu präsentieren.

Die beschlagene Schiebetür bildet die Pforte zum Badebereich. Dahinter reihen sich an der Wand um die Ecke Plastikstühlchen mit portablen Waschbecken aneinander. Darüber wartet die Duschbrause auf ihren Einsatz. Die Spiegel neben jeder Brause geben in Echtzeit die Bewegungen der realen Person wieder. Aus den Seifenspendern tritt bei entsprechender Pressbewegung die klare Flüssigkeit hervor, die sich später an den Körpern zu einer weissen Masse verwandelt. Zunächst wird die nackte Haut eingeschäumt. Mit unablässigen Drehbewegungen auf dem Körper vervielfachen die Japaner den Schaum. Sie vollziehen diesen Schritt mit einer solchen Ausdauer, dass ich annehme, es gehe um einen Eintrag im Guinness-Buch der Rekorde. Ich habe mich bereits beim ersten Becken erwärmt, und sitze erneut vor diesem Spiegel. Nebenan schäumt es noch immer, wie vor meinem ersten Badegang. Mein Gesicht ist gerötet. Zunächst kühle ich mich mit kaltem Wasser ab. Dafür verwende ich den separaten, kalten Hahn. Die Duschwärmeregelung lässt selbst im tiefblauen Farbbereich noch Wasser ausspeien, das nur unwesentlich von der Körpertemperatur abweicht, womit sie meinem Wesen restlos entspricht.

Ich platziere mich im Aussenbecken und lausche dem plätschernden Bach. Meine Gedanken sind fern, und blicken willkürlich auf die von der Jahreszeit bunt gefärbten Blätter. Eine Weile verharre ich amphibisch ruhig im heissen Becken, bis meine Haut rabiat abgekühlt wird. Der schäumende Körper auf dem Plastikstuhl nebenan hat das weisse Kleid runtergespült. Nur noch Reste davon sind in den Steinrillen erkenntlich und werden alsbald filigran entfernt. Im Vorraum, wo ich mich mittlerweile befinde, stehen fein säuberlich Einweg- Zahnbürsten und Rasierer aufgereiht. Die Ohren kann man sich mit Wattestäbchen säubern. Es sei festgehalten, dass es sich eher um Schmiergelstäbchen handelt, jenseits der flauschigen Weichheit eines Charmin-Bärs. Selbstverständlich fehlen Aftershave und glänzende Pasten für Haut und Haar nicht.

Duschen finden sich nur in den neueren, westlichen Hotels. Die Japaner pflegen ihre Körperhygiene im Onsen. Duschen kann selbst beim schönsten Gesang nicht so stilvoll sein, wie ein Bad in einem Onsen. Gerne widmet sich mein geschundener Körper nach einem strengen Tag dieser Zelebration.  

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