Trüber Himmel

26.07.2019

Als ich aufwache, ist eine dünne Sandschicht auf den Taschen, dem Velo und dem Zelt. Der Himmel ist trübe, als brenne irgendwo Wald. Der Gegenwind ist vehement, er bremst mich stark ab. Zum Glück habe ich viel Wasser gekauft. Trotz des Windes ist es warm. Ich schätze gegen 35 Grad Celsius. Die Schilflandschaft wird durch Bäume abgelöst, die in einer Regelmässigkeit wurzeln, dass sie einen lichten Wald bilden, bevor sie unterwürfig dem dominanten Sand Platz machen. Die 4G-Natelantennen sind mit Solarzellen betrieben, obwohl heute die Sonne nicht viel Energie liefert. Zuverlässig kommen Fettschwanzschaf-Lastwagen entgegen. In drei Stockwerken sind die Tiere dicht übereinander gepfercht. Mit ihnen folgt ein bestialischer Gestank, dass ich annehmen muss, dass die Transporter die Tiere seit der Mandschurei in ihren Fäkalien belassen. Beim nächsten Mahl werde ich mich hoffentlich daran erinnern und etwas fleischloses bestellen.

Neben den fortwährenden LKWs, die dröhnend entgegenbrausen und eine Windfahne mit sich ziehen, mischen sich immer wieder Ferienreisende darunter. Schwer beladen fahren sie durch die Wüste, immer weiter gegen den Westen. Sie kommen aus Chengdu, Xining oder Haibei. Oft sind drei Generationen im Auto, die in bequemen Sitzen, klimatisiert durch die Hitze brausen. Die kurzsichtigen Kinder starren unbeirrt auf ihre Bildschirme, wo kitschige Geschichten erzählt werden, lösen per Fingerdruck irgendwelche Explosionen aus oder stürzen Autos den Abhang hinunter. Darf so desinteressiert durch die Landschaft gefahren werden? Darf die Distanz so einfach vernichtet werden? Das Gefühl unserer Erde, der Bezug zur Umgebung, geht gänzlich verloren. Sie verpassen viel und gewiss einige Erfahrungen wären nicht leicht. Sie werden die Morgenfrische nie erleben. Nie das faszinierende Funkeln der Sterne sehen, mit den Sternschnuppen und der Milchstrasse. Sie verpassen die Sonnenaufgänge und Sonnenuntergänge. Sie spüren den Wind nicht, der nach zwei Stunden einsetzt, nachdem die Sonne am Horizont erschienen ist und mit fortschreitender Zeit stärker wird. Sie verpassen wie der Schatten wandert, wann die Sonne am höchsten steht. Sie bemerken nicht, dass die Wüste viele Facetten hat, mal steinig, mal sandig sein kann, mal mit Schilf bewachsen oder von Tümpeln umgeben ist. Sie nehmen den Baumbestand an Flüssen nicht wahr. Sie sehen die breiten Flussbette nicht. Sehen nicht, welche noch Wasser führen, wie kalt und sandig das Wasser ist, wie schnell es fliesst. Sie werden die Echsen und Käfer nicht wahrnehmen. Sie dürsten und hungern nie.

Es sind nicht nur wildromantische Erfahrungen, die mir diese Wüste beschert hat. Doch bin ich um etliche Erfahrungen reicher. Am Ende bin ich nicht unglücklich, das widrige Gebiet hinter mir zu haben. Die Erinnerungen werden bleiben.

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