Die Sache mit dem Benzin

01.08.2019

Wenn der Staat Angst vor der eigenen Bevölkerung hat, neigt er dazu, seltsame Mittel anzuwenden. Der Reisende gerät schnell in Vergessenheit. Dass eine Benzinbeschaffung (ja, für meinen Kocher brauche ich Benzin!) für einen Ausländer kaum möglich ist, daran habe ich nicht gedacht. Zunächst gilt es, die Barriere und das Eisentor zu überwinden und man muss darauf achten, dass das Nagelbrett im Boden versinkt. Das gelingt nur, indem man die Identitätskarte scannt und gravitätisch in einen Monitor schaut, der hoffentlich grünes Licht gibt. Schliesslich beseitigen die Sicherheitswärter alle Hindernisse. Das geschieht bei Chinesen. Ausländer sind vom System ausgenommen. Durch eine ausserordentliche Hilfestellung wird die Identität der Sicherheitswärterin für den Ausländer verwendet, der sich so Zugang zu den Zapfsäulen verschafft. Ganz zum Missfallen des untersetzten Tankstellenwärters, der dem Ausländer mit seinen fleischigen Fingern den Weg zurück zum Eingang weist. Es sei nur möglich, meine Flasche zu füllen, indem ein Gefäss gefüllt wird, das zum Umschütten in meine Flasche verwendet wird. Ich solle draussen warten. Und so packe ich meine Sachen wieder und warte brav unter dem Kartonunterstand der Sicherheitswärter. Auto um Auto passiert die Tankstelle (dabei dürfen sich nie zwei Autos im Tankstellengehege befinden, auch wenn die Tankstelle 8 Zapfsäulen aufweist). Eine Viertelstunde vergeht. Höflich frage ich nach, wann ich mein Benzin bekomme? Ich solle warten. Die Autos werden immer grösser, die aussteigenden Leute immer träger. Mühevoll schleppen sie sich vor den Monitor, um die Schleusen zu öffnen. Eine halbe Stunde vergeht. Ich frage nach, was mit meinem Benzin los sei? Ich solle warten. Da reagiere ich erbost. Ich schimpfe und beleidige. Gewiss bediene ich mich nicht dem fäkalen Vokabular. Ich lasse sie jedoch redundant wissen, dass China ein trauriges Land sei und der Umgang mit Touristen (für einmal hielt ich es von Vorteil, mich als Tourist zu bezeichnen) bedenkenswert. In keinem anderen Land sei die Benzinbeschaffung derart kompliziert. Noch nie in einem anderen Land wurde ich so unfreundlich behandelt. Um das zu erfahren, musste ich erst nach China gelangen. Eine traurige Geschichte sei das. Die Stimme schallend erheben, sollte man in diesem Land nicht, das gilt als Schwäche. Aber klipp und klar sagen, was Sache ist, kann man durchaus. Und wenn Beleidigungen gegen China dabei sind, wird das als ehrverletzend betrachtet und es wird alles daran gesetzt, das trübe Bild zu retuschieren. Und so hilft mir eine junge Kundin, die keine Minute benötigt, um das Benzin zu bekommen. Ja, sie springt mit dem Eimer sogar zu mir, will das Benzin mir gar schenken. Es ist seltsam, wenn Beleidigungen erst zum Ziel führen. Ich hoffe ich muss mich nicht daran gewöhnen.

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